LA PRÉSENCE DE L’ABSENCE. DIE ANWESENHEIT DER ABWESENHEIT.
Anne Faucheret
In „La présence et l’absence“ (1980) erforscht Henri Lefebvre das Konzept der Darstellung und deren Rolle in der Entstehung von – unter anderem kritischen – Wissen. In seinen Augen ist Darstellung ein Bereich zwischen dem Sein und dem Nicht-Sein, zwischen den für die Gesellschaft unabkömmlichen psychischen und sozialen Vorbedingungen. Die Herausforderung des Künstlers ist es, fruchtbare Darstellungen zu erfinden, die das Mögliche erforschen und nicht die gemeinen Darstellungen bevorzugen, die sich mit dem Status Quo zufrieden geben. Alfons Pressnitz’ verschreibt sich der Suche nach einer solchen Bildsprache.
I. FRAGMENTIERUNG DER ERFAHRUNG DER WELT – UND DER MALEREI
Pressnitz’ Gemälde stellen ein gegenwärtiges Chaos dar.* Die Räume sind überladen, verschiedene Gegenstände stapeln sich und werden allein durch das Gemälde zusammengehalten. In „The Empty Closet (Gay Activist)“ liegen Plüschtiere neben Zeitungen, einem Regenschirm, Blumen, die aus dem Boden selbst wachsen, einer Kaffeetasse, einer Packung Zigaretten, Kisten, einem Hocker, einem Küchenmöbel. In „Sender“ werden eine Satellitenschüssel, ein Bürostuhl, eine Lampe, Ordner, ein PC-Gehäuse, ein Stück Wand abgebildet. Wenn man genauer hinsieht, merkt man, dass sich die Gegenstände in zwei Kategorien einteilen lassen: Alltagsgegenstände, die den Privatraum in der Küche, im Zimmer, im Büro bevölkern, und architektonische Elemente, zum Beispiel eine Traverse, Wandteile mit unterschiedlichen Verkleidungen, Vorhänge, Möbel. Der chaotische Eindruck wird nicht so sehr von den Gegenständen erzeugt, wie durch den malerischen Umgang mit ihnen und die Gesamtkomposition. Im Vergleich zu einer realistischen Darstellung mit zentrierter Perspektive treten zahlreiche Verzerrungen auf: manche übereinandergelegte Gegenstände werden nicht nach dem gleichen Maßstab oder aus dem gleichen Winkel dargestellt, manche sind abgeschnitten, verdoppelt oder verformt. Oder der innere Raum öffnet sich abrupt zu einem Außenraum: im Hintergrund, hinter einer Wand („Operator“), hinter einem Vorhang („The Empty Closet“) oder hinter Papierstapeln („Seeker“). Das Hineinbrechen eines Außen in das Innere vervielfältigt die Perspektiven und stört die Wahrnehmung. Die dargestellten Lebensräume – für Freizeit, Reproduktion und Arbeit – sind vertraut und fremd zugleich, manchmal mysteriös oder bedrohlich. Alles scheint in einem stark entropischen, prekären Gleichgewicht erstarrt zu sein: der Zusammenbruch naht („Seeker“) oder hat gerade stattgefunden („Breaking Ceiling“). Die Spuren einer erst kürzlich verschwundenen Präsenz sind sichtbar: eine fast volle Tasse Kaffee in „The Empty Closet“, ein angeschalteter Laptop in „The Presence of Absence“ oder ein ungemachtes Bett in „Fragments“. Wenn eine menschliche Erscheinung anwesend ist, ist sie oft beschnitten oder zersplittert: in „Modell“ sieht man nur einen grauen Arm, als sei er erstarrt, in „Seeker“ bleibt nur noch eine Hand, die einen Stift hält. Diese Fragmentierung evoziert die Entfremdung des zeitgenössischen Individuums oder mehr noch eine Art Weckruf, zugleich ist sie auch die Vorbedingung seiner Emanzipation und Rekonstruktion. Andernorts wird der Mensch in der Distanz sichtbar, zum Beispiel durch ein fotografisches Doppel-Portrait („Passenger“). „Nighthawks“, ein grafisches Werk aus schwarzem, ausgeschnittenem Papier, das auf buntes Papier gelegt wird, lässt ganz schematisch eine Figur erkennen, die mit dem Rücken zum Betrachter steht und fast in den Blättern verschwindet. Auch Portraits von Einzelpersonen oder in der Gruppe befragen den Körper – als Thema innerhalb der Malerei und als Ort von Identität. „Head over Heels“ zeigt einen nackten mit Schuhen bekleideten männlichen Körper und verhülltem Gesicht, das von einem Loch verschlungen zu sein scheint, aber eigentlich nur von einer Farbfläche bedeckt ist. Die schematische Darstellung sowohl des Körpers als auch des Raums lässt den Ort und die Figur undefiniert bleiben. Es scheint, als wäre der Malprozess während der Entstehung des Bildes unterbrochen worden, um es unvollständig zu lassen und die Spannung zwischen zwei Entitäten, dem Körper und dem Raum, die für die Geschichte der Malerei wesentlich sind, herauszukristallisieren. In Pressnitz’ Gemälden hat man den Eindruck, man müsste einfach an dem Vorhang ziehen oder eine Wand abreißen, um draußen zu sein, frei zu sein. Von dem überfüllten Arbeitszimmer in „Seeker“ blickt man auf eine verschneite Berglandschaft in der Ferne. Alfons Pressnitz’ Werke setzen sich mit der Sprache der Freiheit, des Entkommens, der Öffnung, des fernen Horizonts oder des Nomadismus auseinander. Titel wie „Beach“, „Passenger“ oder „The Great Escape“ bestätigen dies. In diesem letzten Werk scheint ein großer blautürkiser Strand in den Raum eingedrungen zu sein, die alltägliche Ordnung weggeblasen zu haben und nur noch zwei sich aneinander klammernde Menschen hinterlassen zu haben. Aufeinander gestapelte Koffer und Planen erinnern hier und da daran, dass der Ort zeitweilig bewohnt war. Pressnitz verleiht dem Chaos wieder einen heilbringenden Optimismus und Hedonismus. Es geht nicht um Eskapismus, sondern um die Suche nach historischen und identitätsbezogenen, emotionalen und kritischen, formalen und politischen Orientierungshilfen für eine neue Form der Darstellung, die in der Gegenwart verankert ist.
II. EINE NEUE DARSTELLUNGSORDNUNG: ZWISCHEN FIGURATION, REDUKTION UND ABSTRAKTION, ZWISCHEN SINGULAR UND PLURAL
Verschiedene Darstellungsmodi und räumliche Herangehensweisen überschneiden sich in Pressnitz’ Werk: zwischen Intuition und Kalkül, dem Ungefähren und der Genauigkeit, Anhäufung und Vereinzelung, Fragmentierung und Rekonstruktion, Figuration und Abstraktion. Die Fragmentierung der dargestellten Räume entsteht durch seinen Arbeitsansatz. Ausgehend von eigenen Fotos oder gefundenen Bildern, die er zerschneidet oder zerreißt, legt er die Fragmente nebeneinander oder aufeinander und schafft somit eine Kollage, die er im Gemälde transformiert. Er nimmt die Entstehung und Sedimentierung unserer Bilder, die zu unseren Darstellungen führen, wahr und reproduziert sie auf sehr konstruierte Weise. Der Übergang zur Malerei vereinheitlicht den Prozess aber lässt ihn nicht verschwinden. Der Künstler legt die existierenden Fragmente übereinander, um mit den gewöhnlichen Codes und unseren Erwartungen zu spielen. Schematisierung, Reduktion oder gar Abstraktion werden parallel zur Anhäufung und zur Sedimentierung eingesetzt. In „Notes“ stehen unterschiedliche Schematisierungsstufen im Widerspruch zum zentralen Motiv, einem Stillleben aus Licht-Equipment und den Rändern des Gemäldes, eine Mischung aus verschiedenen Brauntönen und Schwarz. Die Papierschnitte zeigen eine reduzierte Geste, die vor allem aus dem Abziehen von Materialien besteht, indem die Formen mit einem Cutter aus schwarzem Papier ausgeschnitten werden und somit nur die Kontraste und die Umrisse sichtbar machen. In „Breaking Ceiling“ dominiert das Schwarz, man erahnt einen Innenraum und ein einbrechendes Dach – die definitive Klarstellung erfolgt durch den Titel. „Shadow“ ist eine dunkle Abstraktion, in der hier und da ein paar erkennbare Elemente auftauchen. Bis auf einen Scheinwerfer oben links und eine blau gekachelte Wandecke ist „Club“ eine abstrakte bunte Komposition, in der graue, braune und schwarze geometrische Flächen und Papierfetzen-ähnliche rosa, rote und blaue unklare Formen ineinander greifen. Die Flächen, auf denen Schatten- und Volumeneffekte zu sehen sind, sowie die angedeutete Perspektive machen aus diesem abstrakten Gemälde einen eindringlichen Ort. Zusätzlich zu dem Spiel mit Abstraktion und Figuration arbeitet der Künstler auch mit dem Enthüllten und dem Verborgenen, dem Sichtbaren und dem Begehrten – der schwarze Schlitz in der Mitte von „Club“, das Loch, in dem der Kopf in „Head over Heels“ verschwindet oder die Dunkelheit in „Company“ sind nur einige Beispiele dafür. In dem Übergang zwischen unterschiedlichen Darstellungsarten entsteht der „Riss im Sein“ auf dem das künstlerische Bild laut Georges Didi-Hubermann beruht.** Die Diskontinuitäten, die Überschneidungen, der Zusammenprall, sowie die Löcher, die Brüche, die Unregelmäßigkeiten oder Inkompatibilitäten, die sich durch Pressnitz’ Gemälde ziehen, machen sie zu visuellen Fallen, in denen sich das Auge verliert, wieder zurecht findet und wieder verliert. Ein Loslassen des Sehens erlaubt hiermit die irrationale Natur der Werke zu fassen, die sich gegen die Aneignung über pure konzeptuelle Logik wehren. Jegliche analytische Herangehensweise an die Gemälde ist vergeblich: ein synthetischer Blick ist gefragt. Gefundene Bilder, zum Beispiel Fotos, Bilderbücher, Magazine oder Bilder aus dem Internet sind oft der Ausgangspunkt von Pressnitz’ Arbeit, somit geht er nicht von dem Realen aus sondern von schon kulturalisierten, kollektiven Darstellungen. Die wiederkehrende Präsenz von technischen Kommunikationstools – Computer, Telefone, Satellitenschüsseln - erinnert daran, dass das Sein in erster Linie ein „sein mit“ ist, also kommunizieren und weiterleiten. Pressnitz hat eine ausgefallen Bildsprache, die surrealistische, kubistische und romantische Vorgehen vereint, und sich somit in den Kontext der existierenden Genres einordnet, vom Portrait bis zur Landschaft über die Stillleben (von technischen Gegenständen). Er fragmentiert, gliedert ein und rekonstruiert, fügt oft historische Details hinzu, die aus der schwulen Geschichte stammen. In „The Presence of Absence“ liegt ein Foto von Rudi Gernreich*** unweit von dem Umschlag von „Die Männer mit dem Rosa Winkel“, ein Buch mit dem Bericht eines homosexuellen Gefangenen über die grausame Erfahrung der Lager, das 1972 veröffentlicht wurde. So äußert sich in den kleinsten Details die kulturelle Bezugnahme. „Romance“ ist eine schwule Fassung von „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich, wo die ursprünglichen Figuren durch ein homosexuelles Paar ersetzt wurden. Diese sehr persönliche Prägung seiner Werke hinterfragt den hetero-normativen Blick. Es handelt sich nicht nur um Aneignung, sondern der Künstler legt eine offene, poetische und politische Praxis an den Tag: Das Individuum entsteht nur durch das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Darstellungsarten und durch die Eingliederung in eine mehrstimmige Geschichte. Der Betrachter befindet sich in einem hin und her, zwischen einer bezugsorientierten und einer intuitiven Analyse, einer hermeneutischen und einer synthetischen Deutung des Bildes, zwischen Rationalisierung und phantasmatischem Loslassen. Das Gemälde reproduziert nicht sondern erfindet Darstellungen. Es schwappt über die Bilder, die es hervorrufen, hinüber, definiert sich als Überschreitung, hin zu einer neuen Form und entfaltet sich durch die Verbindung von Plural und Singular.
*Franco Bifo Berardi, And – Phenomenology of The End, New York: Autonomedia, 2015.
**Georges Didi-Huberman, Devant l’image: questions posées aux fins d'une histoire de l'art, Paris: Editions de Minuit, 1990.
***Brigitte Felderer, Rudi Gernreich - Fashion will go out of fashion, 2000, http://gernreich.steirischerbst.at
LA PRÉSENCE DE L’ABSENCE. THE PRESENCE OF ABSENCE.
Anne Faucheret
In his work ‘La présence et l'absence’ (1980), Henri Lefebvre examines the concept of representation and its role in production – among other, critical – of knowledge. According to him, representation constitutes a space between being and non-being, between psychological and social conditions that are indispensable to a society. The goal of the artist is to invent productive representations that explore the possible and do not prioritise the common representations that satisfy themselves with status quo. It is a quest for such an imagery to which the work of Alfons Pressnitz is dedicated.
I. FRAGMENTATION OF THE WORLD EXPERIENCE – AND OF PAINTING
Pressnitz’ painting relates on the first sight to a contemporary disorder.* Spaces are overcharged, various objects are piled up, held together just by the painting. In ‘The Empty Closet (Gay Activist)’, fluffy toys are put together with newspapers, an umbrella, a plant growing on the ground, a coffee cup, a package of cigarettes, boxes, a stool, a kitchen cabinet; while in ‘Sender’, a satellite dish, an office chair, a lamp, filing cabinets, a central unit, a wall panel, can be seen in jumble. On a closer look, the objects can be organized globally into two groups: objects of everyday life, populating theprivate spaces of the kitchen, bedroom, office; and architectural elements, such as sleepers, wall panels of various coatings, curtains, furniture. The impression of disorder is not so much conferred by objects themselves, as by their pictorial treatment and the composition of the whole. Numerous distortions occur in relation to a realistic representation with a centered perspective: some juxtaposed objects are not on the same scale or at the same angle, others are truncated, stretched or deformed. Elsewhere, the interior space abruptly opens into an exterior, in the background, next to a wall (‘Operator’), behind a curtain (‘The Empty Closet’) or behind stacks of documents (‘Seeker’). The irruption of an exterior into the interior multiplies the points of view and disturbs the perception. The represented living spaces - for leisure, reproduction and work - are both familiar and strange, sometimes mysterious or threatening. Everything seems
fixed in a precarious balance with strong entropy: the collapse is near (‘Seeker’) or just happened (‘Breaking Ceiling’). Traces of recent presence are visible: the cup of coffee is almost full in ‘The Empty Closet’, the laptop is switched on in ‘The Presence of Absence’, beds are unmade in ‘Fragments’. When it is present, the human body sometimes appears truncated or fragmented: in ‘Modell’, one sees only an arm, gray as if petrified; in ‘Seeker’, there is only a hand holding a pencil. The distortions evoke the alienation of the contemporary individual or more positively a kind of wake-up call, precondition for emancipation and renewal. Elsewhere, it is placed at a distance, for instance through the intermediary ofthe photographic double-portrait (‘Passenger’). ‘Nighthawks’, a graphic work with black paper cut out and affixed coloured sheets, very schematically reveals a figure of a back, merging with foliage. Even portraits, of individuals or a group, question the body – as a topic of painting and as the locus of identity. ‘Head over Heels’ shows a naked male body with shoes on, but with a hidden face, which seems engulfed in a hole that is actually a flat black paint. The schematic depiction of both body and space makes the figure and the place remain undefined. It is as if the picture had been stopped in the making, left uncompleted to crystallise a moment of tension between two entities, body and space, that have been essential in the history of painting. In Pressnitz' paintings, it seems sufficient to draw a curtain or to pull out a partition to find oneself elsewhere, outside, free. The overcharged office in ‘Seeker’ opens itself onto a distant landscape of snow-capped mountains. The works of Alfons Pressnitz use the vocabulary of freedom, escape, openness, far horizon, or nomadism. Titles like ‘Beach’, ‘Passenger’ or ‘The Great Escape’ confirm this. A large turquoise-blue beach dominating this last work seems to have swept into the room and disbanded the usual order, leaving characters clinging to each other. Here and there, stacked suitcases or tarps evoke a temporary occupation of the premises. Pressnitz distills in the chaos a subtile hedonism and a salvationary optimism. It is much less an escapism than the search for historical and identity-related, emotional and critical, formal and political points of reference for a new form of representation engaged in the present.
II. A NEW ORDER OF REPRESENTATION: BETWEEN FIGURATION, REDUCTION AND ABSTRACTION, BETWEEN SINGULAR AND PLURAL
Several modes of representation and spatial approaches clash with each other in Pressnitz' work: intuition and calculation, approximation and precision, accumulation and subtraction, fragmentation and reconstruction, figuration and abstraction. The fragmentation of the represented spaces is firstly generated by his working method. Using the photographs he has taken himself or images he found that he cut or tore, he arranges and / or superimposes the fragments into a collage that he transfers (and thus transforms) into painting. In this way, he takes note of, and re-plays, in a very constructed way, the image sedimentation that constructs our representations. Painting unites but does not erase the process. The artist juxtaposes the pre-existing elements by playing with the usual codes of representation - and our expectations. The schematization, the reduction or even the abstraction stand alongside with the accumulation and the sedimentation. In ‘Notes’, different degrees of schematization oppose the central motif, a still life of lamps and the edges of the painting, declination of brown and black. In papercuts, the gesture is reduced, consisting of the subtraction of material, the shapes being cut with a cutter from a thick black paper and leaving only the contrasts and visible contours. ‘Breaking Ceiling’, where black largely dominates, allows us to guess that it is an interior space with a collapsing roof - the definitive proof coming from reading the painting’s title. ‘Shadow’ is a dark abstraction from which some recognizable elements arise. Conversely, ‘Club’, except for a top-left placed projector and a tiled blue wall pane, is a multi-coloured abstract composition in which gray, brown and black geometric surfaces are put next to pink, red, and bluish-shaped ones of indefinite forms, recalling torn pieces of paper. The surfaces treated with effects of shade and volumes and the sketch of a perspective transfigure the abstraction of the canvas into an interloped place. The game of abstraction and figuration is reinforced by that of the unveiled and the hidden, the visible and the desired - the black slot in the middle of ‘Club’, the hole where the head is put into in ‘Head over heels’, Company's obscurity, are but a few examples. The zones of transition between different modes of representation are where the ‘essential rupture’ becomes the foundation of the artistic image, as Georges Didi-Huberman puts it.** The discontinuities, juxtapositions, collisions, as well as holes, gaps, irregularities, or incompatibilities that abound in Pressnitz’ paintings make them visual traps where the eye of the viewer is lost, found, and lost again. It is this disenchantment of vision that allows us to grasp the irrational economy of works, responding to a takeover by pure conceptual logic. Any analytical reading of the images is futile: it is a synthetic vision that is needed. Often taking as a starting point images, such as photographs, illustrated books, magazines or material from the Internet, Pressnitz bases his work not only on the real, but also on representations that have already been part of cultural and collective domain. The recurrence of technical tools of communication - computer, telephone, satellite dish - reminds us that ‘being’ is, above all, ‘being with’ and, therefore, communicating, disseminating. Pressnitz proposes a shifted imagery, which evokes surrealist, cubist, or romanticist elements, relating them to well-known genres, from portrait through still-life (of technical objects) to landscape. He fractions, incorporates and reconstructs, adding referential details, often derived from queer history. In ‘The Presence of Absence’, a picture of Rudi Gernreich*** is placed on a bed not far from the cover of ‘Die Männer mit dem Rosa Winkel’, a book about the ordeal of concentration camps written by a gay prisoner who survived them and published the book in the 1970s. These are very precise details of a queer-culture genealogy. ‘Romance’ is a gay version of ‘Kreidefelsen auf Rügen’ by Caspar David Friedrich, where the original figures are replaced by a gay couple. Marking his work in a very intimate way, these details also question the hetero-normative point of view. Beyond a simple gesture of appropriation, the artist makes an act of open, poetic and political practice: the individual is built only in the collision of different regimes of representation and in the inscription even at odds into a pluri-vocal history. The spectator is caught in-between, between a referential and intuitive reading, between hermeneutic and synthetic interpretations of the image, between rationalization and phantasy. The painting does not reproduce, but it invents representations. It always surpasses the images that engender it, it is defined by a transcendence to a new form and unfolds in the conjunction of the singular and the plural.
*Franco Bifo Berardi, And – Phenomenology of The End, New York: Autonomedia, 2015.
**Georges Didi-Huberman, Devant l’image: questions posées aux fins d'une histoire de l'art (Confronting Images: Questioning the Ends of a Certain History of Art), Paris: Editions de Minuit, 1990.
***Brigitte Felderer, Rudi Gernreich - Fashion will go out of fashion, 2000, http://gernreich.steirischerbst.at
DICHT AM ABGRUND, SICHER VERPACKT Oona Lochner
Die Landschaft ist seit Jahren fester Bezugs- und Reibungspunkt für Alfons Pressnitz. Schon mit seinen frühen Collagen arbeitete er sich an Vorstellungen des Idylls ab, indem er Katalogfotos romantischer Berglandschaften zu monströsen Gesteinswucherungen montierte. Die Landschaft, die die Betrachter/innen sonst nur als Ausschnitt einer sich zu allen Seiten ausbreitenden Welt wahrnehmen, löst sich in diesen Papierarbeiten vom Horizont und schwebt als kompaktes, dreidimensionales Objekt vor leerem Hintergrund. Das Subjekt erfährt sich nicht länger als Teil einer Landschaft, sondern tritt aus ihr heraus und bekommt so ihre Konstruiertheit in den Blick. Wie die Collagen treten auch die Malereien von Alfons Pressnitz gegen das Bild der idyllischen Landschaft an. Eine verschneite Ebene reißt drohend auf, Einfamilienhäuser stehen dicht am Abgrund eines Felsmassivs, zerfallen oder versinken in einem Berg angespülten Schutts. Gesprungene Fenster, berstende Holzlatten – Pressnitz beschwört mediale Katastrophenbilder herauf und spielt sie aus gegen Eigenheimhoffnungen von Sicherheit und Behaglichkeit. Traditionell erfüllen Architekturelemente in der Landschaftsmalerei die Funktion, die Komposition zu stabilisieren und die Natur in eine menschliche Ordnung einzupassen. Pressnitz hingegen zeigt die Orte menschlichen Lebens als der Ordnung und den Kräften der Natur unterworfen – und schreibt seinen Motiven damit ein deutlich zeitliches Moment ein. Denn der Mensch erscheint in diesen wüsten Landschaften nur in Gestalt der Spuren, die er hinterlassen hat. Architekturreste und Gerümpel zeugen noch von seiner Gegenwart, doch er selbst ist längst aus dem Bild verschwunden. Diese Nachzeitlichkeit des Bildes spitzt sich in den neueren Malereien Pressnitz' weiter zu. Die Architekturen, die bislang einzeln oder zu mehreren in eine Landschaft hineingesetzt waren, rücken nun dichter an die Betrachter/innen heran und öffnen sich ihrem Blick. Zutage treten Möbel, Zimmerpflanzen und Gerümpel, und dazwischen immer wieder die Überreste menschlicher Kommunikations- und Aufschreibesysteme. Archivschachteln, Pinnwände, lose Blätter, aber auch Computer und Fernseher als potentielle Bild- und Informationsspeicher, füllen die Räume oder poltern aus ihnen heraus ins Freie. Gerade die Abwesenheit des Menschen verstärkt dabei den Eindruck, dass das, was er sagt und aufschreibt, wie im foucaultschen Archiv ein Eigenleben führt. Nicht der oder die einzelne Sprecher/in etabliert Begriffe oder Kategorien, so postuliert Michel Foucault in seiner "Archäologie des Wissens", sondern sie bilden sich allmählich heraus, indem sie immer wieder in Texten und Gesprächen auftauchen und zirkulieren. Auf ganz ähnliche Weise streunen auch bei Alfons Pressnitz die Zeichen durch seine Bilder, ihrer Zugehörigkeit zu Sender und Empfänger beraubt. Doch während die Diskursanalyse die „anonyme Verstreuung“ der Zeichen beschreibt und deutet,* bleibt sie in Pressnitz' Bildern rätselhaft. Die Archivschachteln sind geschlossen und die Ordnerrücken und Zettel bleiben ebenso unleserlich wie die von den Betrachter/innen abgewandten Warnschilder in einer eisschollenbedeckten Bucht. Die Wissensspeicher sind voll, aber unzugänglich, und bilden so einen Kommentar zur Verselbstständigung und zur Fragilität von Wissen und Erinnerung. Von dieser Fragilität der Zeichen werden auch die Bilder selbst erfasst. Als Spuren der Menschen hätten Architekturelemente und Mobiliar das Potential, einen Erzählraum zu umreißen und so den Bildinhalt zu erhellen. Stattdessen verunklärt Pressnitz die räumlichen und narrativen Zusammenhänge, indem er die Bildelemente in ungewohnte Kontexte verschiebt. Büromaterial und Pappkartons stapeln sich dann schon einmal im Gestrüpp oder die Trümmer eines Holzhauses treiben auf einer Eisscholle durch arktische Gefilde. So entstehen statt stringenter Erzählräume phantastische Landschaften, die an die Felswucherungen der frühen Collagen erinnern. Die nahsichtigerenarchitektonischen Räume aber brechen auf und verharren in einem Dazwischen von Innen und Außen. So zeigt das Bild „Employee“ (2011) ein vor Papieren und Kartons überquellendes Büro, in dessen Rückwand ein gewaltiges Loch klafft. Obwohl die Öffnung den Blick auf ein scheinbar dahinter liegendes Panorama freigibt, beschreibt sie doch keine eindeutige innerbildliche Grenze zwischen Innen und Außen. Vielmehr durchläuft der Riss gleichermaßen die Wand und die Gegenstände im Raum, zerteilt Pinnwand und Büromaterial ebenso wie die gerahmte Landkarte (in der sich ebenfalls die Orte seltsam gegeneinander verschieben). Zugleich dringt auch das Grün der Landschaft in den Innenraumhinein und sickert zwischen das auf dem Fußboden verteilte, unbestimmte Gerümpel. Der Raum und die in ihm enthaltenen Gegenstände verlieren ihre feste Form und Position, scheinen wie in den Collagen zu Bildräumen montiert zu sein, und mit der Markierung von Innen und Außen verschwimmen auch die Grenzen zwischen Figur und Grund, Illusionsraum und Fläche, Inhalt und Form. Auf vergleichbare Weise spielt „Utopian Place“ (2011) mit der Überschneidung von Illusionsraum und Malfläche. Eine Hausfassade scheint zunächst mehrere Putzschichten zu tragen, die – dick und verkrustet – die Materialität der Wand hervorheben. Doch indem die Aufhellung der Farbpalette von den grünen und gelben Flächen auf das Fenster übergreift, zerfasert sich der Verputz zur Wolke und die blaue Färbung wird zur Öffnung in der Wand, so dass unklar bleibt, ob die dort gestapelten Kartons dicht am Abgrund oder sicher an die Wand gerückt stehen. Und auch in dem Bild „Your House“ (2011) lösen sich die Gegenstände von ihrem eindeutigen Platz im Raum. Ein Schnitt unterhalb des Giebels öffnet das Haus und Holzreste und Gerümpel quellen aus seinem Inneren heraus in den Garten. Doch je weiter sich der Blick ins Dunkel des Hauses vortastet, desto mehr zerfallen die Formen in Farbflecken und nähern sich einer abstrakten Behandlung der Fläche, ohne jedoch die Gegenständlichkeit je ganz aufzugeben. Die Unleserlichkeit der Zeichen, die durch Pressnitz' Bilder streunen, überträgt sich so auf die Malerei selbst. Auch ihre Gegenstände verunklären sich und die Erzählung, zu der ein Bild ansetzt, versandet in seinen Fragmenten und Farbflecken. Sicherheiten verschwinden – im Idyll der Landschaft ebenso wie für die Wahrnehmung der Betrachter/innen. Die Art und Weise, wie sich in den Malereien von Alfons Pressnitz Inhalt und Form übereinanderlegen, verbindet sie mit einer weiteren Werkgruppe, den Schattenrissen. Aus häufig großformatigem schwarzen Papier schneidet Pressnitz seine Zeichnungen, die wie die Malereien meist Büro- oder Archivräume zeigen, dicht gefüllt mit Regalen, Dokumenten und Kartons. Erst im Laufe des Schneidens entsteht hier nach und nach das Bild des Raumes – eine Prozessualität, die ihre Entsprechung auf der Bildebene findet: auch das Archiv und die in ihm verwahrten Berichte und Akten fügen sich nur allmählich zu einer größeren Erzählung zusammen. Denn noch mehr als die Erinnerung des/der Einzelnen setzt sich auch das Gedächtnis einer Gesellschaft aus unzähligen Ausschnitten der Realität zusammen. Dieses Moment des Fragmentarischen und Flüchtigen bildet sich in den Motiven wie im Herstellungsprozess der Papierschnitte ab, so dass auch sie sich zwischen der Darstellung eines Bildraums und seiner Auflösung in abstrakte Formen bewegen.
*Vgl. Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1981 (1969), S. 89.
CLOSE TO THE ABYSS, SECURELY PACKED Oona Lochner
Landscape has been a fixed reference- and friction-point for Alfons Pressnitz for years. His pictures slave away at ideas of the idyll – a snowy plain rips open threateningly, detached houses stand on the edge of a rocky crag or sink into a mountain of rubble that has been washed up. Pressnitz conjures up images of media catastrophes and plays them off against homeowners’ hopes of security and comfort. Architectural elements traditionally fulfil the function in landscape painting of fitting nature into a human order, but Pressnitz shows the locations in which people live as subject to nature’s order and forces – and thus inscribes a clearly temporal element into this motifs: in these landscapes, man appears only in the form of the traces he has left behind. Fragments of architecture and rubbish still provide evidence of his presence, but he himself has long since disappeared from the picture. This post-time quality of the picture is intensified in Pressnitz’s more recent paintings. Hitherto architecture had been placed in landscapes in isolation, but now it moves up to the viewers more closely and opens up to their eye. Furniture and junk become visible, and again and again in between remains of human communication and writing systems. Archive boxes, pinboards, loose sheets of paper, but also computers and televisions as potential stores for images and information fill up the rooms or surge out of them into the open air. Here it is the absence of the human beings in particular that reinforces the impression that what they say and write down has a life of its own, as in Foucault’s archive. Michel Foucault postulates in his ‘Archaeology of Knowledge’ that it is not the individual speaker who established concepts or categories, but that they gradually emerge by constantly cropping up and circulating in texts and conversations. Signs roam about through Pressnitz’s images in a very similar way, robbed of their right to belong to transmitter and receiver. But while discourse analysis describes and interprets the ‘anonymous scattering’ of the signs,* it remains mysterious in Pressnitz’s images. The archive boxes remain closed, the folder backs, chits and signs illegible. The knowledge banks are full, but inaccessible, and in this way offer a commentary on the independent operation and fragility of knowledge and memory. The images themselves are captured by this fragility of the signs. By shifting architectural elements and furnishings into alien contexts, Pressnitz obscures the spatial and narrative contexts. Office materials and cardboard boxes are stacking up in the undergrowth, for example, or the ruins of a wooden house float through Arctic waters on an iceberg. The closer architectural spaces are breaking up and lingering at an intermediate stage between interior and exterior. ‘Employee’ (2011), for example, shows an office overflowing with papers and cardboard boxes, with a gaping hole in its back wall. Although this aperture opens up a view of a panorama that seems to lie behind, it does not define an unambiguous border within the picture: the crack runs both through the wall and the objects in the room, splitting the pinboard and the adhesive tape dispenser in the same way as the framed map (in which the places also seem to shift strangely in relation to each other). At the same time, the green of the landscape also penetrates the office and seeps between the rubbish strewn around the floor. The room and the objects it contains lose their fixed shape and position, and the boundaries between figure and ground, illusory space and surface, content and form are blurred as well. Objects also detach themselves from their clearly allotted place in the room in ‘Your House’ (2011). An incision below the gable opens up the outside wall and junk pours out from the inside into the garden. But the further the eye feels its way into the darkness of the house, the more the forms of the objects break down into patches of colour and come close to an abstract surface treatment, but without completely abandoning object quality. The unintelligibility of the signs that roam through Pressnitz’ pictures is thus transferred to the painting itself. Its objects become unclear as well, and the narrative started by a picture dribbles into the sand in its fragments and colour patches.
*Cf. Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1981 (1969), p. 89.
MAN MUSS KEIN SCHÖNHEITSCHIRURG SEIN, UM MIT DEM MESSER ÜBER IDEALBILDER NACHZUDENKEN Bianca Regl
Messer, Pinsel, Schere, Licht: Alfons Pressnitz operiert am Zwischenraum der Katastrophe. Er hat in den letzten Jahren mehrmals sein Werkzeug gewechselt: hat sich, ausgehend von der Zeichnung, über die Malerei, der Collage zugewandt und ist schlussendlich und vorerst am Papierschnitt angekommen, um die immer gleiche Fragestellung zu untersuchen. Alfons Pressnitz misstraut der Idylle. So schnipselte er die letzten Jahre am Seziertisch seines Wiener Ateliers schonungslos an der postkartengleichen österreichisch-arkadischen Landschaft. Riss sie auseinander, um sie neu zusammenzukleben zu Bildern, die von einer monströsen Vertrautheit sind: Ein übersteigertes Ideal zart zusammengesetzt zu einem verletzlichen Ganzen, welches alle wünschenswerten Charakterzüge auf einmal tragen soll. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Dinge verrutschen, nicht ganz festsitzen, sich verselbständigen. Alfons Pressnitz misstraut auch dem Ideal. Sein bislang letztes Ölbild zeigt ein Fenster. Denn: kaum ist er aus Österreich weg,
hat er in Berlin die Innenperspektive gewählt. In seinen neuesten Arbeiten, den Papierschnitten, fehlen mit scharfer Klinge ausgelöste Innenräume in großem schwarzen Papier. Aus dunklen Blättern taucht zerbrochenes Glas, verrottende Aktenschränke verweisen auf eine ehemalige, jetzt überflüssige Funktion, vermüllte Büroräume zeugen von der Zeit, nachdem die organisierende und archivierende Gesellschaft ihre triste Bühne verlassen hat. Die dargestellte Architektur beschreibt eine Beständigkeit, die zwar vom Menschen geschaffen ist, sich aber nach dessen Verschwinden eigenständig macht; sie überlebt still ihre eigentliche Bestimmung und wird zum Denkmal einer bereits vergilbten gesellschaftlichen Methodik, eine überflüssige, verstaubte, unbeachtete Erinnerung, die sich dem jetzt stur durch ihre physische Präsenz und ihren vergleichsweise entschleunigten Alterungsprozess widersetzt. In seinen Fensterobjekten, fein aus Karton geschnitzt und anschließend in die Wand eingelassen, geht Pressnitz noch einen Schritt weiter - ihnen ist die Vergänglichkeit bereits inhärent, das papierne Glas war nie intakt, und die Fragilität des Kartons unterstreicht die Transienz sowohl des repräsentierten als auch des tatsächlichen Objekts. Aber Alfons Pressnitz ist kein Pessimist, kein bernhardscher Lästerer oder Weltuntergangsschreier, sondern eher ein melancholischer Chirurg. In seinen Arbeiten fehlt die Wut genauso wie die Glasscherben im Papier. Das Entfernen ist für ihn gleichbedeutend mit dem Konstruieren, die Transzendenz der bedrohlichen Umwelt beruhigend. Seine Arbeit ist freundlich, korrekt und sauber und in einem Interview erklärt er sachlich, dass Zerstörung Ordnung brauche. Das vergebliche menschliche Bemühen, die Natur zu beherrschen und die Geschichte zu konservieren, wird in seiner Arbeit erstaunlich angstfrei behandelt. Seine Desaster haben die zerstörerische Kraft bereits verlebt. Es scheint, als wären sie ein Spezimen aus einem Herbarium: fürsorglich aufgesammelt, desinfiziert und aufbewahrt. Die Sinnlosigkeit des gesamtgesellschaftlichen Unterfangens der Kontrolle evoziert keine Verzweiflung, sondern begegnet uns im Kontrast als leise, aber deswegen nicht weniger kraftvolle Selbstverständlichkeit, doppelt unterstrichen durch den formalen Charakter der Arbeit selbst. Alfons Pressnitz ist, wenn er seine Welt mit exaktem Messer wegseziert und dadurch erschafft, ein sympathischer Gott (in Weiß), der jedoch keinerlei Heilung verspricht; die Aussicht auf ein Paradies fehlt - natürlicherweise. Seine Welt ist eine schöne Aneinanderreihung von schwarz-weißen unschönen Tatsachen und für eine Postkarte gänzlich ungeeignet.
DAS UNBEWUSSTE DER NATUR Felix Steininger
Es ist nicht die erhabene Natur oder die Empfindung des Subjekts gegenüber einer Landschaft, noch sind es pittoreske Stadtansichten, die Alfons Pressnitz interessieren. Der Künstler nähert sich seinen Sujets über das Medium der Fotografie: Bildbände, Zeitschriften oder Postkarten liefern ihm das Rohmaterial, das eine über Jahrzehnte geprägte Vorstellung von Mensch und Natur in sich birgt. Dieses in konventionellen Landschaftsdarstellungen enthaltene Sediment erfährt in seinen Collagen und großformatigen Öl- und Acrylbildern eine besondere Bearbeitung. Felsformationen, Bergseen und Architekturen behalten zwar durch die fotorealistische Darstellung ihren jeweils eigenen, in den Vorlagen schon angelegten optischen Reiz. Durch Isolierung, Kontrastierung und kompositorische Arrangements erhalten sie aber unversehens eine unheimliche Anmutung. Auch die Fotocollagen zeigen so plötzlich inselartig enge, bedrohliche Lebensräume. Dabei bleiben die einzelnen Ausschnitte wie Puzzelteile erkennbar und legen das Trugbild arkadischer Landschaften frei. Auf der Ebene der Bilderzählung verstärkt der fotografisch-dokumentarische Blick die Wirkung der Szenarien. Sie zeugen bei näherem Hinsehen von anonymer Bedrohung, unvorhersehbaren Naturkatastrophen und tragischen Unfällen. Einen konkreten Hinweis auf die Ursachen hinter dem Geschehen erhält der Betrachter nicht. Hier untergräbt Pressnitz unsere Sehgewohnheiten und hinterfragt damit die medial verbreiteten und von Harmonie geprägten Naturvorstellungen. Auf seine lust- und humorvolle Weise schildert der Maler gleichsam das „Unbewusste der Natur“. Ein oft wiederkehrendes Motiv sind Häuser, die wie Fremdkörper in der Landschaft platziert und im Begriff sind, von der Natur zurückerobert zu werden. Der Ort der Geborgenheit bietet plötzlich keinen Schutz mehr. Damit stellt der Künstler auch gesellschaftliche Strukturen und Werte, die traditionell mit Eigenheimen in Verbindung gebracht werden, in Frage.